Tomate (Solanum lycopersicum)
Endlich ist es soweit, in der Sommerküche erhält mit Tomaten die Farbe Rot Einzug! Das bunte Gemüse – das im botanischen Sinne eigentlich eine Beere ist – ist aus unserer Küche nicht mehr wegzudenken. In der heutigen Lernreise erkunden wir, was es mit der Tomate auf sich hat: Woher kommt sie, was sollten wir bei unserem Umgang mit dieser leckeren frischen Zutat beachten? Und natürlich gibt es auch Rezepte mit Tomaten, die einfach und schnell zuzubereiten sind.
Die Tomate, eine besondere Geschichte Wie die Tomate zu uns kam – eine zweifache Lernreise ins Mittelalter und hinaus in die Welt
Um zu verstehen, welche Bedeutung die Geschichte für die Tomate auf unserem Speiseplan hat, müssen wir ins Mittelalter zurückreisen. Denn damals, vor mehr als 500 Jahren, war die Esskultur in unserer Region für das gemeine Volk ein ziemlich bescheidenes und fades Vergnügen. Die Menschen aus dieser Zeit ernährten sich im Wesentlichen von Getreiden wie Gerste und Roggen und von (Wild-)Äpfeln, Ampfer, Wildkirschen, (Wild-)Möhren, Lauch und verschiedenen Kohlsorten. Hinzu kamen Nahrungsmittel wie Milch und Käse von verschiedenen Nutztieren und selten auch Fleisch von Zuchtvieh und Jagd. Die Zutaten wurden meist als einfacher Brei oder als Mus verkocht und so gegessen. Die kulinarische Vielfalt war also weit von dem entfernt, was wir heute auf unseren Tellern gewohnt sind. Hinzu kommt die Saisonalität der Ernährung: Gegessen wurden diejenigen Nahrungsmittel, die zur jeweiligen Jahreszeit geerntet werden konnten. Das schränkte den Speiseplan im Vergleich zu unserem heutigen Leben noch weiter ein.
Tomaten finden sich zu dieser Zeit nirgends auf dem Speiseplan auf dem europäischen Festkontinent. Um zu erfahren, wie die Tomate den Weg zu uns gefunden hat, müssen wir uns also auf eine weitere Reise begeben, die uns auf einen anderen Kontinent führt.
Viele unserer heutigen Nutzpflanzen stammen aus unterschiedlichsten Teilen der Erde. Der Forscher Nikolai Vavilov erforschte im 20. Jahrhundert die Herkunft unserer Kulturpflanzen. Hierfür unternahm er rund 100 Forschungsreisen unter anderem durch den Mittelmeerraum, Äthiopien, Afghanistan, die USA und Lateinamerika. Das Ergebnis seiner Forschungen war eine Art Landkarte, in denen er die ursprüngliche Herkunft der Nutzpflanzen in den sogenannten Vavilovschen Zentren verzeichnete. Die Tomate bildet zusammen mit der Kartoffel, der Paprika und weiteren Pflanzen eine eigene Gruppe.
Das Ursprungsgebiet der Tomate ist Mittel- und Südamerika. Die Tomate etwa wurde von den Maya-Völkern (200 v. C.-700 n. C.) in Mittelamerika u. a. in den Anden, als „itomatl“ oder kurz „tomatl“ kultiviert. Mit der Kolonialisierung Amerikas durch die Europäer – also erst ab dem 16. Jahrhundert – gelangt eine Vielzahl an in Nord-, Mittel- und Lateinamerika heimischen Kulturpflanzen zu uns. So brachte auch Christoph Kolumbus von seiner zweiten Amerika-Reise im Jahr 1498 einige Pflanzen, darunter die Tomate, mit nach Europa.
Die Tomate gelangte dabei über Umwege zu uns. Zunächst wurde die Pflanze nach Spanien mitgebracht, von wo aus sie über Neapel und andere Besitztümer Spaniens nach Italien und schließlich auch in unsere Region kam. Ein Herbarbeleg für die älteste Tomate Europas um 1542/1544 ist im Naturalis Biodiversity Center in Leiden/Niederlande ausgestellt. Zunächst war man mit dem Verzehr dieser neuartigen Frucht zurückhaltend und kultivierte Tomaten eher als Zierpflanze und als Medizinalpflanze, bevor sie in Italien schon ab dem 17. Jahrhundert, in anderen europäischen Ländern gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch als Nahrungsmittel attraktiv wurde. Übrigens: In die USA kam die Tomate nicht auf dem Landweg, sondern als Gemüse über Einwanderer aus Italien im 19. Jahrhundert!
In Deutschland wurde die Tomate erst um 1900 bekannt und in vielen Regionen wurde sie sogar erst ab den 1960er Jahren Bestandteil der Ernährung. Es ist also ziemlich erstaunlich, dass so selbstverständlich erscheinende Gerichte wie Spaghetti mit Tomatensoße, Tomatensuppe oder Tomatensalat in Europa noch gar keine lange Tradition haben.
Weltweit gibt es schätzungsweise 15 000 Tomatensorten, davon alleine etwa 3 000 Sorten in Europa. Im Supermarkt bekommt man aber nicht so viel von dieser Vielfalt mit. Das liegt daran, dass in der EU nur 43 Sorten für den Handel zugelassen sind und nur 4 Sorten rund 90 % des Anbaus in der EU ausmachen. Schade, denn alleine in Deutschland weiß man, dass es mindestens 50 alte regionale Tomatensorten gibt. Diese haben so schöne Namen wie „Berner Rose“, „Minger Zahn“, „Old German“ oder „Horn der Anden“, und unterschiedlichste Farben, Formen und Geschmäcker. Ein guter Grund, sich auf die Suche nach Tomatensamen einer solchen alten Sorte zu machen und selbst Hobbygärtner:in zu werden!
- Tomaten enthalten viele gesunde Vitamine und Mineralstoffe
- außerdem enthalten Tomaten das Carotinoid Lycopin, dem eine starke Wirkung gegen freie Radikale nachgesagt wird
- Tomaten gehören zu den Nachtschattengewächsen, was gedeutet, dass auch Giftstoffe, hier in Form vom Alkaloid Solanin, enthalten sind. Deshalb sind alle grünen Pflanzenteile und die unreifen Früchte für den Menschen giftig
Tomaten können wir rund ums Jahr im Supermarkt einkaufen, und das, obwohl bei uns die Tomatensaison nur über die Sommermonate andauert. Das liegt daran, dass dieses Gemüse wie auch etwa Zucchini oder Gurken nicht nur bei uns, sondern auch weiter südlich angebaut wird, wo die Sonneneinstrahlung auch in den Wintermonaten ausreicht, um die Früchte reifen zu lassen. In Spanien bspw. gibt es riesige Anlagen mit Gewächshäusern, wo diese Gemüse angebaut und dann nach Deutschland und in andere Länder exportiert wird. Eigentlich eine feine Sache – doch in Ländern wie Spanien herrscht zunehmende Wasserknappheit. Und gerade Tomaten (wie auch Gurken) benötigen viel Wasser, um große Erträge zu liefern. Somit tragen wir mit unserem ganzjährigen Konsum frischer Tomaten dazu bei, dass die Wasserverknappung vor Ort noch weiter zunimmt. Auch bei Dosentomaten und Tomatenpüree, das wir in Konserven und Tuben, aber auch in allerlei Fertigprodukten finden, stammen die Tomaten – anders als die Produktgestaltungen es vermuten lassen – nicht aus Italien, sondern in vielen Fällen aus China! Denn hierher stammt der größte Teil des bei uns erhältlichen Tomatenpürees. Kurioserweise stehen Tomaten zugleich in China nur ganz selten auf dem Speiseplan und die dort angebauten Tomaten werden fast ausschließlich in andere Teile der Welt exportiert.
- reife Tomaten können roh oder gekocht verzehrt werden
- besonders Freiland-Tomaten und alte Sorten haben ein wunderbares Aroma
- Tomaten müssen nicht nur rot sein. Es gibt Tomatensorten, die gelb, orange oder dunkelbraun und sogar gestreift sein können! Diese findet man vor allem auf Wochenmärkten
Rezepte mit Tomaten
Arbeitsauftrag
Tomaten-Taten
Mach eine Online-Recherche und suche einen Verein oder andere Möglichkeiten, alte Tomatensorten zu beziehen. Bekannte Initiativen sind u. a. Dreschflegel Saatgut, Bingenheimer Saatgut oder Tomatenretter. In den kommenden Monaten ist hierfür der beste Zeitpunkt, denn dann gibt es neues Saatgut, das im kommenden Frühjahr ausgebracht werden kann. Pflanzt ein paar unterschiedliche Tomatensorten gemeinsam mit Freund:innen an und freut euch über die bunte Vielfalt der Tomaten!
Tomaten-Wissen
Es gibt einige sehenswerte Filme und Dokumentation über die Tomate. Zum einen informiert die Dokumentation „Rotes Gold – Die Geheimnisse der Tomatenindustrie“ über den Welthandel mit dem Tomatenpüree. Hier zu finden. [20221-05-16]. Und die Reportage zeigt die Vielfalt alter regionaler Tomatensorten auf und verschiedene Zubereitungsarten. Zu finden ist sie hier. [2022-05-16].
Quellen
BR (Bayrischer Rundfunk)(Hg.)(2020): „Schmidt Max und die Tomate“. https://www.br.de/mediathek/video/freizeit-reportage-schmidt-max-und-die-tomate-av:5f214d2170463d001b017515 [2022-05-16].
Körber-Grohne, U. (1994): Nutzpflanzen in Deutschland. Kulturgeschichte und Biologie. Stuttgart: Theiss.
Küster, H. (2018): Am Anfang war das Korn. Eine andere Geschichte der Menschheit. München: C. H. Beck.
Malet, J.-B./Deleu, X. (2019): „Rotes Gold – Die Geheimnisse der Tomatenindustrie“. https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/rotes-gold–die-geheimnisse-der-tomatenindustrie-100.html [20221-05-16].
Mann, C. C. (2013): Kolumbus‘ Erbe. Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen. Reinbek: Rowohlt.